Am Sonntag, dem 27. Mai 1945, wurden die Opfer im Beisein von rund zehntausend
Trauergästen, darunter die gesamte Landesregierung, der Bürgermeister
mit dem Stadtsenat und Fürstbischof Dr. Pawlikowski, am Grazer Zentralfriedhof
beigesetzt. Auf Grund der großen Teilnehmerzahl sowie der öffentlich
manifestierten Verurteilung des NS-Regimes kann diese Trauerfeier als eine
der ersten und bedeutendsten Kundgebungen der Nachkriegszeit bezeichnet
werden. In seiner Trauerrede erklärte Landeshauptmann Reinhard Machold:
Werte Trauergäste, Männer und Frauen in der Steiermark!
Tief erschüttert und bis ins tiefste Mark erschüttert stehen
wir heute hier an der Bahre von 140 Männern und zwei Frauen, die
ohne einen richterlichen Urteilsspruch über Befehl des verbrecherischen
Gauleiters der Steiermark hingerichtet worden sind - wenige Wochen bevor
er mit seinen nächsten Helfern und Helfershelfern in feiger Flucht
das Weite suchte.
Die Todesursache dieser unglücklichen Opfer des nazistischen Faschismus
ist durch gerichtsärztlicher Untersuchung einwandfrei festgestellt.
Sie alle wurden von Organen der Gestapo, also der Geheimen nazistischen
Staatspolizei, durch Genickschuß getötet. Nur vereinzelt konnte
die Identität der Ermordeten festgestellt werden, weil die zerstörende
und zersetzende zeit ihr Werk vollendet und die Toten unkenntlich gemacht
hat. So werden den heute fast alle dieser unschuldigen Opfer nazistischer
Bestialität ins Grab gesengt - unerkannt und unbekannt. Besorgte
Frauen aus nah und fern vermissen ihren Mann und weinen Tränen um
ihn; unschuldige Kinder sehen ihren Vater nicht mehr und fragen ängstlich
nach ihm, bangende Mütter suchen vergeblich nach ihren Sohn; tieftraurige
Geschwister wissen nicht, wo Bruder und Schwester hingekommen sind - und
sie liegen hier in diesen Särgen vor uns, wir betten sie zur letzten
Ruhe und wissen nicht, und niemand weiß es, daß sie es sind,
um die Frauen und Kinder, Eltern und Geschwister trauern, daß sie
die schmerzlichen Vermißten und Gesuchten sind.
Nicht Unrechtes, nichts Unehrenhaftes haben sie getan, diese ruchlos Dahingemordeten.
Ihre einzige Schuld war es, daß sie Gegner des fluchwürdigen
nazistischen Faschismus gewesen sind, des deutschen Nationalsozialismus,
der die ganze Welt belogen und betrogen hat, vom Anbeginn seines Daseins,
der kaltblütig mordete, was nicht seiner Gesinnung war, der uns ein
tausendjähriges Reich versprach und den entsetzlichsten aller entsetzlichen
Kriege vorbereitete und entfachte und der damit die Menschheit und vor
allem anderen auch das österreichische Volk in eine Katastrophe gestürzt
hat, so grenzenlos, wie sie die Weltgeschichte noch nicht gesehen. Sie,
die Gemordeten, die wir heute hier in die kühle Erde senken, sind
Kämpfer und Gefallene unserer inneren Front gegen die uns aufgezwungene
nationalsozialistische Tyrannei. Sie sind Helden, die ihr Leben ließen,
weil sie die Freiheit liebten und weil sie die Knechtschaft haßten.
Für immerwährende Zeiten werden wir dieser unbekannten Soldaten
und Gefallenen unserer inneren Front in tiefer Trauer und tiefster Dankbarkeit
gedenken.
Diese unschuldigen Opfer teuflischer Unmenschlichkeit sind aber auch Zeugen
dafür, daß sich das österreichische Volk trotz brutalster
Unterdrückung stets aufgelehnt hat gegen die Despoten des Dritten
Reiches und daß es sich wehrte gegen seine Unterdrücker, soweit
es das vermochte. Nicht nur die 142, die wir heute hier begraben. Nein,
tausend und abertausend haben hier und anderwärts in diesem ungleichen
Kampf gegen die nationalsozialistischen Machthaber ihre Freiheit und ihr
Leben geopfert. Wir wollen hoffen und bitten darum, daß die Sieger,
denen wir dankbar dafür sind, daß sie uns von dieser nazistischen
Pest befreit haben, dies bedenken und in Rechnung stellen mögen,
wenn sie endgültig über das Schicksal unseres armen, geplagten
und gepeinigten, unglücklichen österreichischen Volkes entscheiden
werden. Uns allen, die wir das traurige Erbe verbrecherischer Schurken
und Narren antreten mußten, erwächst im Angesicht dieser Toten
eine heilige Pflicht. Wir müssen und werden dafür sorgen, daß
bei uns auch die letzten Spuren dieses nazistischen Wahnsinns ausgemerzt
und daß die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.
Niemand unter ihnen soll sich der trügerischen Hoffnung hingeben,
daß er der strafenden Gerechtigkeit entgehen wird.
Hier am offenen Grab der Gemordeten geloben wir es uns feierlich. Wir
wollen die schwere Schuld, die das österreichische Volk durch seine
Duldung des nazistischen Jochs und durch seine Teilnahme am Krieg auf
sich geladen hat, tilgen; wir wollen alles tun, um die Schmach, die auf
uns lastet, auszulöschen. Wir wollen keine Unmenschen mehr unter
uns dulden, wir wollen wieder freie Menschen unter freien Menschen werden
und uns würdig erweisen, in der Gemeinschaft einer gesitteten, friedlichen
Völkerfamilie Aufnahme zu finden. Das, Ihr Männer und Frauen,
die Ihr Euch in Massen eingefunden habt, um den Dahingemordeten die letzte
Ehre zu erweisen, sei unser heiliger Schwur. Durch restlose Erfüllung
dieses unseren Gelöbnisses wollen wir ab nun unsere Dankespflicht
gegenüber diesen Toten abstatten, und dann wird ihr Opfer nicht zwecklos
gewesen und dann werden sie nicht umsonst gestorben sein.
Im Anschluß an die Trauerfeier fand im Krematorium die Verabschiedung
von Julia Pongracic statt. (Einige der Opfer wurden nicht im Massengrab
beigesetzt, sondern im Krematorium eingeäschert.)
In den Jahren 1945 bis 1947 wurde am Zentralfriedhof das sogenannte Feliferhof-Denkmal
errichtet, das 1967 seine heutige Form erhielt. Im Mosaikfeld mit dem
Motiv des geschändeten, gepeinigten Menschen verkündet die Inschrift:
„Hütet Freiheit und Frieden, den wir starben für sie.“
Quellenangabe: Muchitsch Wolfgang, „Der Widerstand und seine Verfolgung
in Graz 1945“, in: Valentinitsch, Graz 1945, Historisches Jahrbuch
der Stadt Graz Bd. 25, (Graz)

Mahnmal für die Opfer des Feliferhofes - Zentralfriedhof Graz
© Ernst Logar 2004