„Universität
für Angewandte Kunst 29.06. - 11.07.2004
"Kriegserzählungen besagen tatsächlich, daß
es schwer ist, jemanden zu töten,
der einem ins Gesicht blickt."
Lévinas, Emmanuel: "Ethik und Unendliches"
Seit zwei Jahren versuche ich den Leidensweg meines Großvaters
und die Umstände, die zu seiner Hinrichtung geführt haben, nachzuzeichnen.
Diese Nachforschungen sind die Grundlage und der Ausgangspunkt meiner
Rauminstallationen "Den Blick hinrichten" im zweiten Untergeschoß
der Universität für angewandte Kunst.
Ein 30 Meter langer Kellergang wird im Zuge meiner Arbeit zu einer Hinrichtungsstätte
umfunktioniert. Durch eine eingezogene Glaswand und einer Wand mit Stahltür
wird der Gang dreigeteilt und ist für den Betrachter nur von einer
Seite zugänglich. Es ergeben sich damit drei räumliche Abschnitte,
mit unterschiedlicher Funktion und Bedeutung. Der Eingangsbereich fungiert
als Ort der Dokumentation und Aufklärung, während der zweite
dahinterliegende Raum auf die Situation der Erschießung verweist.
Vom dritten Raum ist der Betrachter körperlich ausgeschlossen, er
kann seinen Blick nur in dessen Dunkelheit richten, er dient der Projektion
und Assoziation.
Der Titel "Den Blick hinrichten" operiert auf verschiedenen
Ebenen. Zum ersten bezeichnet er den Akt des Hinblickens, des sich vor
Augenhaltens, die andere Bedeutung liegt im Zugrunderichten, in der Zerstörung
des menschlichen Blicks.
Die erste Bedeutungsebene spricht vom Erinnern an die Zeit des Nationalsozialismus
und der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Die zweite
Bedeutungsebene bezieht sich auf den letzten Augenblick des Delinquenten.
Gegen diesen letzten Blick, der durch das Verweigern der Augenbinde den
Füsilieren im Moment des Todes entgegengerichtet wird, versuchen
sich die Täter zu schützen, denn durch dieses Erblickt-Werden
des Delinquenten erstarren die Hinrichter zu seinen Tätern. Sie werden
von ihm ertappt und in diesem Moment sind sie festgelegt als die, die
sie sind: als seine Mörder.
Meine Rauminstallationen konstruiert mit seinen räumlichen Gegebenheiten
ein physisches Verhältnis zu diesem Thema, das auf psychische Reaktionen
zielt. Durch Stimmungen sollen Inhalte vermittelt werden, die sich durch
Sprache nicht mehr vermitteln lassen. Erinnern heißt an diesem Ort,
Geschichte mit dem Körper als auch mit dem Kopf nachzuvollziehen.
Rauminstallationszugang - Neubau/ Stg 2/ Erdgeschoß