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„Den Blick hinrichten“ - Ernst Logar 2004

"Kriegserzählungen besagen tatsächlich, daß es schwer ist, jemanden zu töten,
der einem ins Gesicht blickt."
Lévinas Emmanuel "Ethik und Unendliches"


Wir fragen seit einer Reihe von Jahren intensiver als früher nach der Bedeutung unserer Erinnerungen an die Zeit nationalsozialistischer Herrschaft für unsere eigene Gegenwart und Zukunft.
Der fortschreitende Generationenwechsel ist ein wesentlicher Grund und Anstoß um sich mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Denn dieser rückt die Epochen des Faschismus heute über die pure zeitliche Distanz hinaus in eine neue existentielle Ferne. Die Zahl derjenigen, die die Naziherrschaft noch selbst miterlebten, nimmt unter unseren Augen beständig weiter ab. Die Generation der damals Verantwortlichen über 40 ist schon gänzlich ausgestorben, die Generation der damals jungen Befehlsempfänger, der Soldaten des Krieges und der Arbeiter über 20, zumindest aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden. Noch leben sie als Pensionisten unter uns, doch bald werden auch sie endgültig von uns gegangen sein.
Wir Jüngeren spüren seit langem, was das für unser ganzes politisches Klima bedeutet.
In ein bis zwei Jahrzehnten wird es keine unmittelbare Erinnerung an das Dritte Reich mehr geben und die Folgen für unser politisches Gegenwartsbewußtsein werden voraussichtlich beträchtlich sein.

Aufgrund der oben genannten Tatsachen und aktueller politischer Gegebenheiten müssen die Ereignisse des Nationalsozialismus gerade heute wieder an die Oberfläche gebracht werden.
Dieses an die Oberfläche bringen ist mir aufgrund meiner eigenen schmerzhaften Familiengeschichte ein sehr wichtiges Anliegen und ich habe mich dazu entschlossen, mich diesem gesellschaftspolitischen Thema anzunehmen, den vergangenen Ereignissen nachzugehen, diese zu verarbeiten, an die Menschen weiterzukommunizieren und damit in wache Erinnerung zu rufen.
Mein Ausgangspunkt ist das traurigste Schlüsselerlebnis meiner Familiengeschichte väterlicherseits, die Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung meines Großvaters Josef Logar durch die Nationalsozialisten. Am 7. April 1945 wurde er wegen „Hochverrats und Zersetzung der Wehrmacht“ im Zuge der Hinrichtungen am Feliferhof erschossen.
Dieses schreckliche Ereignis hatte meiner Ansicht nach bis heute schwerwiegende Auswirkungen auf meine Familie und wurde bis auf den heutigen Tag aus unserem Leben verdrängt. Daher sehe ich mich als Teil der Enkelgeneration verpflichtet, diesem schmerzhaften Teil unserer Familiengeschichte nachzugehen und diese im Dunklen der Vergangenheit liegenden Ereignisse, heute wieder in wache Erinnerung zu rufen.

"Der Feliferhof war und ist ein Symbol der Brutalität des nationalsozialistischen Regimes zu Kriegsende in der Steiermark und insbesondere in Graz. Der Ort, im Westen der Stadt gelegen, steht damit für Massenhinrichtungen, Folter und Terror. Dennoch umgibt diese Hinrichtungsstätte bis heute ein Nebel von Vermutungen und immer in Zweifel gezogenen Darstellungen [...]

Am 7.April 1945 wurden 12 männliche Häftlinge von Beamten der Gestapo vom Landesgericht Graz abgeholt und nicht mehr zurückgebracht. [...]
Darunter befanden sich vier Personen die nicht verurteilt worden waren.
Zwei zum Tode Verurteilte waren Angehörige einer Widerstandsgruppe in Kapfenberg, einer war wegen wehrkraftzersetzender Aussagen und wiederholten Vergehens gegen das Rundfunkgesetz verurteilt worden. Die zwei Kapfenberger waren im November, der - von seiner eigenen Frau - Denunzierte im Oktober 1944 verurteilt worden.
Vier weitere, alle aus Kärnten oder Oberkrain, waren im Jänner 1945 verurteilt worden.
Die beiden wegen „krimineller Vergehen“ Verurteilten wurden im Jänner und Februar 1945 verurteilt.


Dabei handelte es sich um folgende Personen:

Haitzmann Maximilian und Büschinger Franz.
Bouvie, Studienreferent, geb.: 1907, nicht abgeurteilt.
Wasmund Gustav, Melker, geb.: 2.3.1904 Hamburg, nicht abgeurteilt
Einbeck Richard, Kaufmännischer Angestellter, geb.: 8.1.1902 in Hamburg. nicht abgeurteilt
Fabian Hermann, Dreher, geb.: 1.1.1915 Neuglandorf, Kärnten, nicht abgeurteilt
Hintermann Ignaz, Reichsbahnschaffner i.R., geb.: 1.2.1881, Glanhofen oder Glanbach, war am 19.Jänner 1945 zum Tode verurteilt worden.
Suppan Stanislaus, Verkäufer geb.: 1917 in Assling, Oberkrain, war bereits am 26.Jänner 1945 zum Tode verurteilt worden.
Logar Josef, Steinmetz, geb.:1915 Vellach, war bereits zum Tode verurteilt.
Bamberger Josef, Fahrdienstleiter, geb.: 8.8.1901 Schwertberg, war bereits am 31. Jänner 1945 zum Tode verurteilt worden.
Posch Josef, Metalldreher, geb.: 1915, war als "Kriegsverbrecher" zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden und aus der Haft entwichen. Er hat in der Folge weitere Einbrüche verübt und ist am 29. Jänner 1945 zum Tode verurteilt worden.
Knotz Josef, Gärnter, geb.: 1918 Graz. Der mehrfach wegen Diebstahl Vorbestrafte war ebenfalls ein entwichener Häftling. Nach seiner Flucht hatte er mehrere schwere Einbrüche begangen und wurde am 7.Februar 1945 vom Sondergericht Graz als "Volksschädling und gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" zum Tode verurteilt.

Das letzte Mal wurden die Abtransportierten von der Augenzeugin Hauberger am Tor des Landesgerichts Graz gesehen. Auch in den Nachkriegsprozessen gegen die Beamten der Grazer Gestapo konnte keinerlei exakter Hinweis auf ihren Verbleib erbracht werden."

„Der Feliferhof“ Stefan Karner – Harald Knoll, August 2001


Ausgangspunkt meiner Arbeit war und ist eine längere Recherchetätigkeit zu der Kriegsvergangenheit meines Großvaters. Seit zwei Jahren versuche ich den Leidensweg meines Großvaters und die Umstände, die dazu geführt haben, nachzuzeichnen.
Diese Recherchetätigkeit konzentrierte sich auf das Aufsuchen verschiedener Archive und Institutionen nach noch vorhandenen Aufzeichnungen zum Gerichtsprozeß und der Hinrichtung meines Großvaters. In Gesprächen mit Familienangehörigen versuchte ich Auskunft zum Hergang der Verhaftung und den darin involvierten Personen zu bekommen.
Es war mir bis heute möglich, den Ort der Hinrichtung aufzufinden und zu besuchen, wichtige Dokumente zur Verhaftung und Inhaftierung meines Großvaters, sowie Literatur und Augenzeugenberichte zu den Hinrichtungen am Feliferhof zusammenzutragen. Weiters war es mir noch möglich, eine lebende Augenzeugin aufzuspüren.
Meine Recherche ist aber noch nicht abgeschlossen und es wird seine Zeit dauern, um näheres über den Tod meines Großvaters und den damit verbundenen Umständen zu erfahren.

Diese persönlichen Nachforschungen sind die Grundlage und der Ausgangspunkt meiner Rauminstallationen "Den Blick hinrichten" im zweiten Untergeschoß der Universität für angewandte Kunst.
Ein 30 Meter langer Kellergang wird durch eine eingezogene Glaswand und einer Wand mit Stahltür dreigeteilt und ist nur von einer Seite, nämlich von der Stiege 2 / Neubau für den Betrachter zugänglich. Im kleinen Eingangsraum mit einer Länge von ca. 3m befindet sich ein Tisch aus Glas und Stahl, auf dem Dokumentationsmaterial für den Betrachter aufliegt. Dieser Raum wird durch Glühlampenlicht spärlich beleuchtet. Von diesem ersten Raum gelangt man durch eine Stahltür in einen hell erleuchteten Raum von ca. 7m Länge. Die Trennung zum letzten dahinterliegenden Raum erfolgt durch eine 10mm starke Glaswand. Im Raum befinden sich angebrachte Wandtexte, die einen Augenzeugenbericht einer Hinrichtung durch Erschießung wiedergeben.

Es handelt sich um folgende Sätze, die in verschiedenen Raumhöhen angebracht sind:

Jedenfalls weiß ich nicht mehr den Tag – es war noch dunkel.

Ringsum nichts. Da kamen wir an eine Stelle, wo schon ein Pfahl eingerammt auf einer freien Fläche stand.

Gezielt wurde auf Herz und Brust.

Dann wollte man ihm die Augen verbinden und er lehnte ab. Er schüttelte den Kopf, nein.

Und wie der „Legt an!“ sagt, da richtete er sich kreuzgerade auf und blickte uns genau in die Gewehre hinein.

Schließlich kam dieser mit seiner 08, ging ran und – das war für uns das aller Schlimmste - schoß ihm zwei-, dreimal in den Kopf.

Das vergißt man nie. Das werden sie nicht los.

Der hinter der Glaswand befindliche Raum ist abgedunkelt und nur das Licht des hellen Raumes fällt in diesen. Das Ende des dunklen Raumes ist beim Blick des Betrachters durch die Glaswand nicht mehr auszumachen. Weiters ist die Glaswand durch mehrere Gewehrschüsse, die aus dem dunklen Raum in Richtung des hellen Raum abgefeuert wurden, in menschlicher Brusthöhe durchschlagen. Im Zuge des Beschießens der Glaswand haben die Projektile auch die stählerne Eingangstür durchschlagen, die schon vom Betrachter vor dem Eintreten in den hellen Raum wahrgenommen werden.

Der Ausstellungstitel "Den Blick hinrichten" operiert auf verschiedenen Ebenen. Zum ersten bezeichnet er den Akt des Hinblickens, des sich vor Augenhaltens, die andere Bedeutung liegt im Zugrunderichten, in der Zerstörung des menschlichen Blicks.
Die erste Bedeutungsebene spricht vom Erinnern an die Zeit des Nationalsozialismus und der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Die zweite Bedeutungsebene bezieht sich auf den letzten Augenblick des Delinquenten.
Gegen diesen letzten Blick, der durch das Verweigern der Augenbinde den Füsilieren im Moment des Todes entgegengerichtet wird, versuchen sich die Täter zu schützen, denn durch dieses Erblickt-Werden des Delinquenten erstarren die Hinrichter zu seinen Tätern.
Sie werden von ihm ertappt und in diesem Moment sind sie festgelegt als die, die sie sind:
als seine Mörder.

„Ich kann also meine Aufmerksamkeit nicht auf den Blick lenken, ohne das meine Wahrnehmung sich zugleich damit auflöst und in den Hintergrund tritt. [...]
Wir können nicht die Welt wahrnehmen und gleichzeitig einen auf uns fixierten Blick erfassen, es muß entweder das eine oder das andere sein. Wahrnehmen ist nämlich anblicken, und einen Bick erfassen ist nicht ein Blick-Objekt in der Welt erfassen (außer, wenn dieser Blick nicht auf uns gerichtet ist), sondern Bewußtsein davon erlangen, angeblickt zu werden. Der Blick, den die Augen manifestieren, von welcher Art sie auch sein mögen, ist reiner Verweis auf mich selbst. Was ich unmittelbar erfasse, wenn ich die Zweige hinter mir knacken höre, ist nicht, daß jemand da ist, sondern daß ich verletzlich bin, daß ich einen Körper habe, der verwundet werden kann, daß ich einen Platz einnehme und daß ich in keinem Fall aus dem Raum entkommen kann, wo ich wehrlos bin, kurz, daß ich gesehen werde.“


Jean-Paul Sartre "Der Blick"


Meine Rauminstallationen verweist auf die Situation der Hinrichtung durch Erschießung.
Mit der Enge wird die Erfahrung subjektiver Bedrohung verknüpft. Für den Betrachter wird eine Atmosphäre der Bedrückung, der Angst und Ausweglosigkeit heraufbeschworen. Der Betrachter wird in diesem Raum isoliert und ist der Raumwirkung ausgesetzt, die ihn elementare psychische Erlebnisse erleben lassen.
Die Installation konstruiert mit seinen räumlichen Gegebenheiten ein physisches Verhältnis, das auf psychische Reaktionen zielt. Durch Stimmungen sollen Inhalte vermittelt werden, die sich durch Sprache nicht mehr vermitteln lassen.
Erinnern heißt an diesem Ort, Geschichte mit dem Körper als auch mit dem Kopf nachzuvollziehen.

Die Rauminstallationen ist auch ein Ort der Dokumentation und Aufklärung,
der in Form eines des Vorraumes geschaffen wurden.
Aufgeklärt wird hier über die Geschichte meines Großvaters und den damit in Zusammenhang stehenden nationalsozialistischen Verbrechen am Feliferhof. Damit werden über diesen Ort der Rauminstallationen hinausführende persönliche und historische Informationen vermittelt.
Dies erfolgt in Form von Fakten und Zeugenaussagen, sowie dokumentarischem Material, das auf einem Tisch für den Betrachter bereitliegt.

Zusätzlich wird auf der Homepage www.denblickhinrichten.at diese Information einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach der Ausstellung soll diese Plattform weiter für die Öffentlichkeit präsent sein. Ich sehe diese als zukünftiges Diskussionsforum und wichtige Informationsquelle für die an diesem Thema interessierten Menschen und möchte mit meiner geleisteten Arbeit einen Beitrag zu diesem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema leisten.


„Zunächst gibt es da die eigentliche Geradheit des Antlitzes, seine gerade, schutzlose Darbietung. Die Haut des Gesichtes ist die, die am meisten nackt, am meisten entblößt bleibt. Am meisten nackt, obgleich von dezenter Nacktheit. Auch am meisten entblößt:
Im Antlitz gibt es eine wesentliche Armut; [...] Das Antlitz ist exponiert, bedroht, als würde es uns zu einem Akt der Gewalt einladen. Zugleich ist das Antlitz das, was uns verbietet, zu töten.“

Lévinas Emmanuel "Ethik und Unendliches"



Quellenangabe:

Borsdorf Ulrich, Grütter Theodor Heinrich (1999), Orte der Erinnerung, (Frankfurt 1999, Campus Verlag)

Christoph Heinrich (1993), Strategien des Erinnerns, (München 1993, Verlag Silke Schreiber)

Haase Norbert (1987), Deutsche Deserteure, (Rotbuchverlag 1987)

Karner Stefan - Knoll Harald (2001), Der "Feliferhof", (Wien, BMLV/ Büro für Wehrpolitik)

Lévinas Emmanuel (1982), Ethik und Unendliches, (Wien 1992, Passagen Verlag)

Sartre Jean-Paul (1952), Der Blick - Ein Kapitel aus Das Sein und das Nichts, (Mainz 1994
Dietrerich´sche Verlagsbuchhandlung)